Stellungnahme der Atemwegsliga: Verordnung zur Änderung der Apothekenbetriebsordnung und der Arzneimittelpreisverordnung

In der Verordnung zur Änderung der Apothekenbetriebsordnung und der Arzneimittelpreisverordnung ist geregelt, dass ab 1. Januar 2020 auch für Versicherte in der privaten Krankenversicherung, Beihilfeempfänger und Selbstzahler verschriebene wirkstoffgleiche Arzneimittel in der Apotheke ersetzt werden können (1).Wir nehmen dies zum Anlass zu betonen, dass Inhalativa auf die Substitutions-Ausschlussliste gehören. Diesen Standpunkt haben wir im Positionspapier zur „Aut-idem Substitutionsverpflichtung bei Inhalativa“, Pneumologie 2015; 69:196-198, ausführlich begründet (2).

Für den Therapieerfolg ist die korrekte Anwendung essentiell (3, 4, 5).

Die Wirkung des inhalierten Arzneimittels ergibt sich aus der intrabronchial deponierten Dosis. Diese Dosis hängt von einem adäquaten Inhalationsmanöver mit dem Inhalationssystem ab. Inadäquate Nutzung führt zu einer schlechteren Symptomkontrolle, häufigeren Besuchen in Notfallambulanzen und häufigeren Exazerbationen, letztlich also zu einer erhöhten Belastung im Gesundheitssystem (3). In der täglichen Praxis kommen häufig auch solche Fehler der Inhalationstechnik vor, die den Transport des Wirkstoffs an den Wirkort in den unteren Atemwegen vollständig verhindern. Kleinere Fehler reduzieren die in den Atemwegen ankommende Menge des Medikamentes.

Viele Patienten sind aus objektiven Gründen nicht in der Lage jeden beliebigen Inhalator zu bedienen, weil sie zum Beispiel den erforderlichen Inspirationsfluss für das Auslösen von Pulverinhalatoren krankheitsbedingt nicht erreichen oder die erforderliche Koordination von Freisetzung des Medikamentes durch eine Handbewegung und zeitgerechter Einatmung bei Dosieraerosolen nicht zustande bringen.

Jedes Inhalationssystem erfordert ein systemspezifisches Inhalationsmanöver. Selbst zwischen den Trockenpulversystemen sind die erforderlichen Inhalationsmanöver unterschiedlich (6). Daher sind intensive, auch wiederholte Patientenschulungen und Überprüfungen ebenso erforderlich wie ggf. der gezielte Wechsel auf ein anderes Inhalationssystem, dessen adäquate Nutzung die Patienten sicher und reproduzierbar erlernen können.

Die Inhalationstherapie hat einen zentralen Stellenwert bei der Behandlung von Asthma und COPD.

Das verordnete Arzneimittel besteht bei Inhalativa aus dem Wirkstoff, Trägerstoffen und dem Applikationssystem (Inhalationssystem oder kurz Inhalator). Der Inhalator ist dabei ein integraler Teil des Arzneimittels und damit der Therapie. Die Inhalatoren sind häufig nicht austauschbar, selbst wenn sie die gleiche nominelle Dosis des gleichen Wirkstoffs bei optimaler Nutzung freisetzen würden. Es sind mehrere Fälle bekannt, in denen zugelassene Systeme mit der nominell vergleichbaren Dosis soviel mehr Substanz freigesetzt haben, dass sie aus dem Handel genommen werden mussten. Zwei verschiedene Pulverinhalatoren für den Wirkstoff Tiotropium enthalten Dosen von 18 bzw. 10 ug, ein Dosieraerosol 5 ug, alle 3 Dosen sollen klinisch äquivalent sein. Schon aus diesem Beispiel ist die entscheidende Rolle des nicht austauschbaren Inhalators ersichtlich.

Die Applikationssysteme unterscheiden sich erheblich in ihrem Aufbau, ihrer Funktionalität und ihrer Anwendung. Bei Inhalation wirkstoffgleicher Präparate aus unterschiedlichen Inhalatoren kann nicht zwangsläufig von einer therapeutischen Äquivalenz ausgegangen werden, da die bronchiale Wirkstoffdeposition durch die korrekte Handhabung des Systems bestimmt wird.

Ein weiterer bedeutsamer Einflussfaktor für die Wirkstoffdeposition ist die individuelle Pharynx- und Glottisanatomie (7).

Physikalische Faktoren wie erzeugte Teilchengröße, -geschwindigkeit und Inspirationstiefe die Deposition bestimmen die Deposition (6). Bei Trockenpulversystemen sind Dosisabgabe (in Prozent der abgemessenen oder der am Mundstück freigesetzten Dosis) und Teilchengröße immer (unter den Systemen aber in unterschiedlichem Ausmaß) vom Inspirationsfluss durch das System abhängig. Daher kann unter Berücksichtigung der vorgenannten physikalischen Einflussgrößen und der anatomischen Variabilität der Rachen- und Glottisanatomie nie die tatsächlich erreichte Wirkstoffdeposition vorausgesagt werden. Die sich ergebenen Therapieeffekte werden klinisch beurteilt und die Behandlung wird ggf. angepasst. Wird also bei einem „stabil“ eingestellten Patienten das Inhalationssystem gewechselt, so stellt dies eine bedeutsame Veränderung der Behandlung dar und es muss mit klinischen Auswirkungen (Über- wie Untertherapie) gerechnet werden.

Der Austausch eines Inhalationssystems ist ein erheblicher Eingriff in die Patientenbetreuung und die Therapie und kann ggf. nur medizinisch begründet werden. Bei Inhalativa handelt es sich eindeutig um Präparate mit „kritischer Darreichungsform“, bei denen eine Aut-idem-Substitution aus medizinischer Sicht (Therapieeffekte und Compliance) außerordentlich problematisch ist (8).

Quellen:

  1. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/gesetze-und-verordnungen/guv-19-lp/aenderungsverordnung-apbetro-ampreisv.html
    Bundesgestzblatt Jahrgang 2019 TeilI Nr. 36, ausgegeben zu Bonn am 21. Oktober 2019
  2. Positionspapier zur Aut-idem Substitutionsverpflichtung bei Inhalativa, Inhalativa gehören auf die Substitutions-Ausschlussliste, Pneumologie 2015; 69:196-198
  3. Melani AS et al. Inhaler mishandling remains common in real life and is associated with reduced disease control. Respir Med 2011; 105(6): 930-938
  4. Molimard M et al. Assessment of handling of inhaler devices in real life: an observational study in 3811 patients in primary care. J Aerosol Med 2003; 16: 249-254
  5. Giraud V et al. Misuse of corticosteroid metered-dose inhaler is associated with decreased asthma stability. Eur Respir J 2002; 19: 246-251
  6. Laube BE et al. ERS/ISAM Task Force Report. Eur Respir J 2011; 37: 1308-1331
  7. Vincken W et al. The ADMIT series-issues in inhalation therapy. 4. How to choose inhaler devices for the treatment of COPD. Prim Care Respir J 2010; 19: 10-20
  8. Blume H et al. Leitlinie „Gute Substitutionspraxis“ der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft e.V. (2014) www.dphg.de

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